Als ich neulich Instagram öffnete, sprang mir das Foto förmlich ins Gesicht: Tischtennisspielerin und Instagram-Bekanntheit Lisa Straube im pinken Spitzen-BH. Ich konnte meine Augen kaum abwenden von diesen wunderschönen Brüsten und so ging es wohl den meisten. Ich war ein bisschen verwundert, warum sie dieses Foto gepostet hat. Wenn man ihre bisherigen Bilder mit dem neuesten vergleicht, sticht die Freizügigkeit sehr hervor. Ihre Message: Scheiß auf die Meinung anderer und liebe deinen Körper so, wie er ist.
Als ich durch die Kommentare scrollte, fand ich neben viel Liebe für ihre tolle Figur natürlich auch die Kritik: "Hat sie das wirklich nötig?" oder "Das ist einfach nur billig". Nun ja, viele Leute aus meinem Bekanntenkreis würden vermutlich genau das Gleiche sagen. Ich habe diese Art von Kommentaren erwartet, Lisa bestimmt auch. Wie wir alle wissen, macht zum Beispiel auch Cathy Hummels oft Schlagzeilen mit Nacktheit. Ob sich wohl unter ihren Fotos die gleichen Kommentare häufen?
Cathy steht häufig unter Beschuss – wegen ihres Körpers, ihren Erziehungsmethoden oder ihrem Lifestyle. Kommentare oder Kritik, dass sie zu viel nackte Haut zeige, gibt es hingegen weniger. Entweder löscht Cathy diese oder es gibt einfach keine. Und das, obwohl sie sich im Bikini zeigt! Ist das nicht mindestens genauso nackt? Liegt es also bei Lisa an der Unterwäsche? An ihrem Alter? Oder an der Größe ihrer Brüste?
Eine Frau, die ein enges Kleid oder einen weiten Ausschnitt trägt, wird nicht automatisch als billig wahrgenommen. Wenn sie eine große Oberweite hat, könnte das Urteil aber schon anders ausfallen. Doch wieso ist das eigentlich so? Wollen wir mit aller Gewalt die Entblößung des weiblichen Körpers verhindern? Nun, dann würde man ja keinen Unterschied zwischen Körbchengröße A und D machen. Geht es also darum, weibliche Rundungen zu verdecken?
Ich habe mir die Frage gestellt, woher diese Angst vor Nacktheit kommt. Ich kenne diese Gedanken von mir selbst nur zu gut. Niemals würde ich so ein Foto posten. Niemals würde ich einen zu tiefen Ausschnitt oder ein zu kurzes Kleid tragen – schließlich soll doch niemand denken, dass ich billig bin oder es darauf anlege. Und früher habe ich es auch verurteilt, wenn es jemand tat. Heute erkenne ich die patriarchalen Strukturen, die diesen Sichtweisen zugrunde liegen. Ein Wertesystem, das sich in unsere DNA gebrannt hat – ganz unterbewusst.
"Wer zu viel von sich zeigt, macht sich unattraktiv", "Niemand möchte eine Freundin, die leicht zu haben ist", "Für eine anständige Frau schickt es sich einfach nicht, zu viel Haut zu zeigen", "So etwas wollen Männer nicht". All diese Annahmen haben einen Ursprung: Die Sexualisierung von Frauen und ihren Körpern. Nein? Dann stell dir diese Frage: Was würde passieren, wenn ein Mann genau das Gleiche tun und ein freizügiges Foto posten würde? Es kräht kein Hahn, wenn ein Mann ein paar Knöpfe seines Hemds öffnet. Es würde nicht als Verfall der guten Sitte bewertet werden, sondern einfach als das, was es ist: ein nackter Körper.
Ein nackter Körper ist an sich nichts Sexuelles. Er ist etwas Natürliches. Das Patriarchat existiert in allen Aspekten unseres Lebens. Am meisten sind jedoch die Bereiche Sexualität und Nacktheit betroffen. Aber der daraus resultierende "Male Gaze", also der männliche Blick, ist längst nicht mehr nur Männersache. Viele Frauen übernehmen dieses patriarchale Wertesystem, ohne es zu hinterfragen. Denn auch bei Lisa Straubes Foto stammen die meisten bösen Kommentare von Frauen.
Es sind vielleicht die gleichen Frauen, die Feminismus unnötig finden. Die Gegner des Genderns sind. Sie sind "keine solchen Emanzen", sehen alles ganz "gechillt" und finden Blondinen-Witze lustig. Ich finde das nicht verwerflich, sondern erkenne einfach, dass diese Frauen die Auswirkungen der patriarchalen Gesellschaft nicht durchdrungen haben oder nicht durchdringen wollen. Ihnen sind die tiefgreifenden Auswirkungen der fehlenden Gleichberechtigung nicht bewusst oder sie stören sich vielleicht nicht daran, und das ist auch ok. Doch eins muss ich klarstellen: Wer nicht als hysterische Emanze gesehen werden will und deshalb bei feministischen Themen die Coole spielt, um gut bei Männern anzukommen, bestätigt die Notwendigkeit von Feminismus. Denn wenn jemand anscheinend darauf angewiesen ist, Bestätigung von Männern zu erhalten, um seinen Selbstwert wertzuschätzen, würde diejenige wohl am meisten von Feminismus profitieren.
Der weibliche Körper ist sexualisiert. Das ist tief in unserer Gesellschaft verankert. Auch wenn wir wünschten, dass es nicht so wäre, ändert das nichts am Ist-Zustand. Nacktheit zu zeigen verstößt im Moment gegen die gesellschaftlichen Werte-Prinzipien der meisten.
Den weiblichen Körper zu ent-sexualisieren und endlich losgelöst vom Male Gaze zu betrachten, ist das Ziel. Die kulturellen Anforderungen an Frauen schränken sie in ihrer Selbstentfaltung ein. Denn es geht nicht darum, ständig im BH durch die Straßen zu laufen oder solche Fotos auf Instagram zu posten. Es geht um die Möglichkeit der Wahl. Das tun zu können, womit man sich am wohlsten fühlt und nicht dafür verurteilt zu werden.
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Die Frage, die sich mir stellt, ist: Kann man die Fotos von Lisa Straube oder Cathy Hummels als Akt der Selbstbestimmung bewerten? Dass sie sich loslösen wollen von jeglichen patriarchalen Grundsätzen und feministische Werte ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken? Eine Ansage, an alle Hater – eine Botschaft für alle Body-Shamer? Diese Intention wünsche ich mir sehr.
Es könnte aber ebenso sein, dass beide diesen Vorwand nutzten, um sich unangreifbar zu machen. Um Aufmerksamkeit zu erregen, ein Tabu zu brechen und letztendlich doch nach den Spielregeln des Male Gaze zu spielen. Man muss Hashtags wie "Feminismus", "Body Positivity" oder "Stop Slut Shaming" nicht immer Glauben schenken. Es ist auch gerade ein Trend, sich oberflächlich für diese Werte einzusetzen, aber tatsächlich nicht nach diesen Grundsätzen zu denken oder zu handeln. Das möchte ich weder Lisa Straube noch Cathy Hummels unterstellen, sondern zu einer kritischen Betrachtung und Unterscheidung generell aufrufen. Denn ganz ehrlich: Feminismus-Washing habe ich sowas von satt!
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