Kritik zu Perpetrator: Blut, Blut und noch mehr (Menstruations-)Blut - FILMSTARTS.de

2023-03-08 17:04:31 By : Ms. Chaya Peng

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Blut, Blut und noch mehr (Menstruations-)Blut

Ihr neuer Film sei, so erklärte es Regisseurin Jennifer Reeder bei der Weltpremiere im Rahmen der Berlinale, „der Macht der Freundschaft als Überlebensstrategie gewidmet“. „Perpetrator“ kann dabei durchaus als Kampfansage verstanden werden, schließlich hat es sich die feministische Filmemacherin seit ihrem Studienabschlussfilm mit dem vielsagenden Titel „White Trash Girl #1 – The Devil Inside“ (1996) zur Aufgabe gemacht, die Widerstandsfähigkeit junger Frauen zu feiern, die von einer misogynen, ebenso lüsternen wie schmuddeligen Männerwelt begehrt werden.

Aufs Schönheitsideal junger, hübscher Körper reduziert und durch den Druck sozialer Medien zur Selbstinszenierung gezwungen, gerät die weibliche Pubertät laut Reeder nicht nur aufgrund des Absonderns von Menstruationsblut buchstäblich zum Horrortrip. Diese Umschreibung trifft auch „Perpetrator“ ganz gut, denn (teilweise bemerkenswert durchsichtiges) Blut ist der Kleister, welcher den überkandidelten, zuweilen haarscharf am Trash vorbeischrammenden Coming-Of-Age-Horrorthriller mit seinen vielen, nur bedingt miteinander harmonierenden Ideen noch am ehesten zusammenhält.

Jonny (Kiah McKirnan) startet auf einer neuen, besseren Schule, gerade als diese von einer ganzen Reihe von Vermisstenfällen erschüttert wird.

Schon mehrere Diebstähle gehen aufs Konto von Teenagerin Jonny (Kiah McKirnan), die bei ihrem alleinerziehenden Vater aufwächst. Als eine Reihe von Vermisstenfällen junger Frauen die Stadt in Aufruhr versetzt, nimmt ihre undurchsichtige Tante Hildie (Alicia Silverstone) Jonny unter ihre Fittiche und backt ihr zum 18. Geburtstag einen magischen Kuchen. Obwohl ihr der Verzehr nicht mundet, werden dadurch ihre bis dahin weitgehend unbemerkten Fähigkeiten eines „zweiten Gesichts“ stärker ausgeprägt:

Die vermissten Mädchen und andere Personen können in einer Form ausgeprägter Mimikry in Jonnys Körper fahren und durch sie hindurch mit eigener Stimme sprechen. Mit zwei Freundinnen im Schlepptau verstößt Jonny bei einem romantischen Tête-à-Tête mit Kirk (Sasha Kuznetsov), einem der größten Aufreißer ihrer Schule, gegen die verhängte Ausgangssperre und stellt damit dem Serien-Entführer eine Falle...

Tante Hildie (Alicia Silverstone) backt ihrer Nichte zum 18. Geburtstag eine ganz besondere, wenn vielleicht auch nicht besonders leckere Torte.

Jennifer Reeders Psycho-Thriller „Knives And Skin“, in dem es ebenfalls um eine verschwundene Highschool-Schülerin ging, zeigte mit seiner mysteriösen Grundstimmung deutliche Anleihen an David Lynchs berühmt-berüchtigte TV-Serie „Twin Peaks“. Bei „Perpetrator“ sind die Einflüsse nun weniger deutlich – umso mehr wirken die Stilmittel und Motive willkürlich zusammengeklaubt. Blut ist in all seinen Facetten omnipräsent. So fragt etwa eine Schulpsychologin mit Nasenverband Jonny absurd detailliert nach ihrer Sehstärke, Herzkrankheiten und ihrem Sexleben aus, bis Fragende und Befragte gemeinsam Nasenbluten entwickeln. Hildie wiederum interessiert sich fasziniert für Jonnys Menstruationsblut auf dem Boden des Badezimmers, in das sie unumwunden mit einem Finger hineinstochert.

Spätestens jedoch, wenn diverse Personen durchs Berühren einer von ihr abgesonderten Blutlache in Jonnys rot gefärbte Unterwasser-(Alb-)Traumwelt eintauchen, ist klar, dass Jennifer Reeder Blut (bzw. die Menstruation) als Allegorie weiblicher Adoleszenz mit Selbstermächtigung gleichsetzt. Das ist aber seit „The Descent – Abgrund des Grauens“ (2005) ein alter Hut – und auch längst nicht mehr wirklich originell. Weitere Sexualmetaphern finden sich in Reeders Skript etwa zum Finale, wenn der Entführer Jonny über eine anusartige Öffnung am Herzen Blut absaugt. Hier erinnert „Perpetrator“ dann auch weniger an David Lynch als vielmehr den Body-Horror von David Cronenberg (und hier speziell an die Videokonsolen-Körperanschlüsse in „eXistenz“).

Jonny besitzt eine besondere Fähigkeit, die es ihr erlaubt, andere Menschen in sich hineinfahren zu lassen.

Visuell kann „Perpetrator“ abseits einiger Stroboskopeffekte und Spielereien mit Prismen in seiner grauen Digitaloptik nicht wirklich punkten – umso mehr verlässt sich der Film auf seine dröhnende Musikuntermalung. Die düster-sphärischen Synthie-Klangteppiche und donnernden Schlaginstrumente von Nick Zinner unterlegen das lange Zeit bedeutungsschwanger aufgebaute, dann aber zunehmend in sich zusammenfallende Szenario dermaßen laut und aufdringlich, dass sie alsbald ihre Wirkung verlieren. Einige Inserts mit schnell geschnittenen Gore-Einlagen oder kurze Szenen mit dubiosen Oralsexspielchen im Direktorenzimmer (um noch einmal überdeutlich ein Beispiel toxischer Männlichkeit anzuführen) tragen kaum zur Entwicklung des Plots bei und sorgen durch ihre bewusste campyness wohl nur bei Trash-Fans nicht für Kopfschütteln.

Das Bedrohungsszenario durch die Entführungen bleibt lange Zeit nur austauschbare und spannungsfreie Hintergrundkulisse sowie dramaturgisch bedeutungslos. Da ist es nur schade um die erfrischend-freche Performance von Kiah McKirnan, die auch bei ekligen Szenen gute Miene zum bösen Spiel macht – und der in ihrer Nebenrolle distinguiert-gestelzt agierenden Alicia Silverstone („Clueless“) so deutlich die Show stiehlt.

Fazit: Oft gefährlich nah am Trash vorbeischrammend, verliert sich die ohnehin recht dünne Story von „Perpetrator“ schließlich ganz in allerlei ausgelutschten Metaphern erwachender weiblicher Sexualität, die vor 20 Jahren vielleicht noch halbwegs frisch gewesen wären.

Wir haben „Perpetrator“ im Rahmen der Berlinale 2023 gesehen.

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