Mönchengladbach In Ländern wie Dänemark, Norwegen und USA steht Erste Hilfe längst auf den Stundenplänen. In Deutschland ist sie selbst für viele Erwachsene nur schnell vergessenes Pflichtprogramm, wenn man den Führerschein macht. Das soll sich ändern, und zwar von der Grundschule auf. Der Initiativkreis Mönchengladbach sorgt dafür, dass schon Dritt- und Viertklässler Erste Hilfe lernen. Mit Feuerwehrmann Andreas Spahn und seinem plüschigen Kollegen Friedhelm macht das richtig Spaß und die Kids zu potentiellen Lebensrettern!
Während die Kids in anderen Grundschulen an diesem Dienstagvormittag Mathe-, Deutsch- und Sachunterricht haben, steht bei den elf Dritt- und 13 Viertklässlern der Katholischen Grundschule Venn Erste Hilfe auf dem Stundenplan. Sechs Schulstunden lang verbringt die B-Klasse mit dem „Herzkasper“ alias Andreas Spahn und seinem „Kollegen“, dem Handpuppenhund Friedhelm. Den holt der Berufsfeuerwehrmann, der allein im letzten Jahr 540 Schülern an zehn Grundschulen Erste Hilfe beigebracht hat, gern mal zwischen den Übungseinheiten heraus, um den Stoff auf lockere Art zu wiederholen. „Was ist in einem Verbandskasten fürs Auto alles drin?“, fragt Friedhelm dann. „Rettungsdecke, Verband, Pflaster, Schere...“, zählen die Kids auf. „Und wofür braucht man die Schere?“ „Zum Aufschneiden von Klamotten und dem Sicherheitsgurt“, kommt prompt die Antwort. „Und wisst ihr noch, was man mit der Silber-Gold-Decke macht?“ Klar wissen sie das. Leonie, Chloé, Sophie, Lars und Matthias demonstrieren es gleich mal. Und wie man mit dem Heimlich-Manöver jemanden retten kann, der etwas verschluckt hat, führen Luisa und Max vor. Die fünf festen Schläge zwischen die Schulterblätter bei vorgebeugtem Oberkörper werden von einer von Spahn eigens aus den USA importierten Übungs-Schutzweste für Kinder abgefedert. „Und wenn das noch nicht reicht, was macht Ihr dann? Max greift unter die Arme von Luisa, eine Faust drückt auf den Bauch, mit der anderen Hand presst er ruckartig nach, so dass, wenn sie etwas verschluckt hätte, es herauskommen würde.
Auch wie man einen Notruf macht, jemanden in die stabile Seitenlage bringt, einen Defibrillator bedient und eine Herzdruckmassage macht, lernen die Kids an diesem Tag – und haben viel Spaß dabei. Zwischendurch wird es auch mal anstrengend – in 60 Sekunden 100-mal gleichmäßig feste auf den Brustkorb der Übungspuppe drücken ist auch für Erwachsene kein Kinderspiel. Aber Spahn bringt als Feuerwehrmann und Papa zweier Kids viel Erfahrung und auch das richtige Händchen dafür mit, Erste Hilfe altersgerecht zu vermitteln. „Meine Tochter konnte schon mit drei die Herzdruckmassage – mit ihrem Teddybären“, verrät er.
Für 2023 plant der Initiativkreis MG insgesamt 20 Erste-Hilfe-Kurse für Dritt- und Viertklässler. Interessierte Grundschulen wenden sich bitte an Julia.Maier@mgmg.de
Auch Klassenlehrerin Waltraud Irmen und Schulleiter Thorsten Liebert sind begeistert. „Meine Klasse macht ganz toll mit“, lobt Irmen. „Die Kinder saugen das alles regelrecht auf, ohne Scheu und mit ganz viel Energie“, freut sich Liebert, und ist überzeugt von der nachhaltigen Wirkung. „Sie entwickeln eine Haltung, ein Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein, Menschen in Notlagen zu helfen.“
Für Andreas Spahn gehört das Erste-Hilfe-Training ganz klar auf den Lehrplan der Grundschule, deshalb stellt er das Projekt jetzt auch im Landtag vor. „Die Kinder verstehen das teilweise besser als Erwachsene“, erklärt er. „Und sie gehen angstfrei an das Thema heran.“
Die beste Bestätigung sind die Kinder selbst. „Ich möchte anderen helfen und nicht daran vorbeilaufen“, sagt Leonie und trifft es auf den Punkt. Denn vorbeilaufen oder -fahren, wegschauen, wenn jemand Hilfe braucht – das ist leider etwas sehr „Erwachsenes“.