Schwer verletzte Tiere am Deutschherrnufer gefunden
„Du bist jetzt wieder zu Hause“, sagt Rüdiger Benz zu der Taube, als er sie aus der Transporttasche ins Freie entlässt. „Leider kannst du uns nicht sagen, wer auf dich geschossen hat. Aber es soll dir jetzt wieder gut gehen.“ Der Tierschützer hat die Freilassung auf Video aufgenommen. Im Dezember war der Darmstädter abermals ans Sachsenhäuser Deutschherrnufer gerufen worden, weil Anwohner eine Taube gesehen hatten, die mit einem Blasrohrpfeil im Hals versuchte zu fliegen.
Das war mindestens das zweite Mal im vergangenen Jahr, dass offenbar ein Taubenhasser am Deutschherrnufer gezielt mit Blasrohrpfeilen auf die Tiere geschossen - und sie getroffen und verletzt hat. Im März vergangenen Jahres hatte Benz zwei Tauben eingefangen, die mit Pfeilen durchbohrt waren - und überlebten. Er brachte sie zum Tierarzt, der die Pfeile operativ entfernte und die Wunden der Tauben an Hals und Augen versorgte.
Das Jahr über war es ruhig, bis Rüdiger Benz Ende November wieder von Anwohnern alarmiert wurde. Im Dezember versuchte er mehrmals, das verletzte Tier mit einem Netz einzufangen, bis es ihm schließlich gelang. Auch diese Taube brachte er auf eigene Kosten zum Tierarzt, der sie operierte, mit Antibiotikum versorgte, bevor Benz sie wieder am Deutschherrnufer zurück in die Freiheit ließ. Mit einem mulmigen Gefühl. Benz fand zwei Pfeile auf dem Boden an einer Hauswand in der Straße Zum Brommenhof. „Wer die Pfeile schießt, wohnt hier ganz in der Nähe und zielt wahrscheinlich vom eigenen Balkon aus“, vermutet er.
Wer der grausame Taubenhasser ist, ist schwierig herauszufinden. Im Frühjahr ermittelte die Polizei dazu vor Ort in Sachsenhausen, jedoch erfolglos. Eine Anwohnerin hatte die Polizei verständigt, weil sie glaubte, dass aus einem Fenster heraus jemand in der Vergangenheit kleine Pfeile auf Tauben geschossen hatte. Einen konkreten Nachbarn konnte sie nicht nennen, da sie keinen beobachten konnte.
Sie habe den Polizeibeamten lediglich eine verdächtige Wohnung genannt, von wo aus die Pfeile abgeschossen worden sein könnten. Die Polizei sprach die dortigen Mieter an, doch diese waren es offenbar nicht: „Sie waren selbst Tierliebhaber mit eigenen Haustieren und wiesen die Anschuldigungen von sich“, gibt die Polizei zu Protokoll.
Den aktuellen Fall hat das zuständige 8. Revier laut Pressestelle nicht dokumentiert. Die Tierschützer haben keine Anzeige erstattet. „Es nützt leider nichts“, sagt Gudrun Stürmer vom Stadttaubenprojekt, die im Frühjahr, nachdem die beiden Tauben gefunden worden waren, einen Aufruf auf Facebook startete. Spaziergänger und Nachbarn sollten Ausschau halten nach dem Täter. Ein Mitglied des Projekts wollte 500 Euro an denjenigen zahlen, der den Tierquäler findet. „Es hat sich aber niemand gemeldet“, so Stürmer.
Gudrun Stürmer, die sich seit 40 Jahren ehrenamtlich um die Tauben in Frankfurt kümmert und das Stadttaubenprojekt mit mehreren Taubenhäusern leitet, weiß um viele Fälle von Tierquälerei in der Stadt. Sie hat Angst, dass es weitere Nachahmer gibt, wenn darüber berichtet wird. „Da kommen diese Leute vielleicht auf Ideen, die sie noch nicht hatten“, fürchtet sie.
Vor kurzem sei eine Taube zu ihr gebracht worden, der jemand die Flügel mit Klebeband zugeklebt hatte. Ein anderes Tier sei in Preungesheim an ein Brett geklebt worden. All diese gequälten Geschöpfe würden in die Krankenstation am Gnadenhof in Oberrad gebracht und dort behandelt. „Es ist unglaublich, was wir an Tierquälereien, die sich in der Stadt ereignen, zu sehen und zu hören bekommen. Das ist in den letzten Jahren schlimmer geworden“, erzählt Stürmer. Glücklicherweise steige aber auch die Hilfsbereitschaft der Bürger. Viele meldeten sich bei ihr, wenn sie Tauben sehen, die leiden. Die Stadtverwaltung hingegen sei am Wohlergehen der Tiere wenig interessiert, findet Stürmer. Auch um streunende, wildlebende Katzen, die um Kleingärten herum lebten, kümmerten sich nur Freiwillige, die wie Rüdiger Benz ihre Zeit und ihr privates Geld aufwendeten, um den Tieren zu helfen. Stefanie Wehr