Gerhard Wolfs Beziehung zur Defa war intensiv und oft frustrierend. Gemeinsam mit seiner Frau Christa entwarf er trotzdem einen der besten DDR-Filme.
Der soeben verstorbene Gerhard Wolf war ein aufmerksamer Leser dieser Kolumne. Als ich ihn vor einiger Zeit in einem Pankower Supermarkt traf, ging er sofort auf mich zu, stellte Fragen, teilte Erinnerungen, machte mich auf Auslassungen aufmerksam. Auch vorher hatten wir öfter über Filme gesprochen. Sein cineastisches Wissen war fundiert. Seine Liebe zum Kino entsprang keinem hobbyhaften Interesse, sie wurzelte in langjährigen beruflichen Erfahrungen. Seine Beziehung zur Defa war seit den frühen 60er-Jahren intensiv und teilweise fruchtbar – mehrfach aber auch desaströs.
1964 verfilmte Konrad Wolf den Roman „Der geteilte Himmel“, und Gerhard Wolf bearbeitete gemeinsam mit seiner Frau Christa, die ja auch Autorin des Buchs war, den Stoff fürs Kino. Schon der Roman war von einigen Kulturbürokraten beargwöhnt worden, weitaus mehr nun seine Adaption für die Leinwand. Dass hier eine Liebesbeziehung an der deutschen Teilung scheitert, wurde vielfach als Tabubruch betrachtet. Obwohl Konrad Wolf (nicht verwandt mit Gerhard Wolf) nahezu unantastbar war, wurde ihm politische Indifferenz vorgeworfen. Was dazu führte, dass sein Film immer mal wieder aus den Kinos verbannt wurde, zuletzt 1970.
Noch schlimmer kam es zwei Jahre später mit dem Spielfilm „Fräulein Schmetterling“, für den Christa und Gerhard Wolf ein Originaldrehbuch verfasst hatten. In diesem spielerischen Alltagsmärchen wünscht sich eine junge Frau namens Raupe immer wieder in den Himmel hinauf. Doch sie bleibt letztlich auf dem tristen Ost-Berliner Pflaster liegen, macht ihrem Namen traurige Ehre. Diese am poetischen Realismus des frühen Vittorio de Sica („Das Wunder von Mailand“) geschulte Traum-Parabel war fast fertiggestellt, als sie in die Mühlen des elften Plenums des ZK der SED vom Dezember 1965 geriet. Christa Wolf, damals selbst noch Kandidatin des ZK, musste entsetzt miterleben, wie sich höchste, aber auch subalterne Funktionäre auf alles einschossen, was vom neostalinistischen Kurs abzuweichen schien. So wurde auch „Fräulein Schmetterling“ vom Himmel geholt. Sein Regisseur, der hoffnungsvolle Debütant Kurt Barthel (1931–2014) verschwand für immer in der Versenkung. Gerhard Wolf versuchte es weiter mit der Defa und mit Konrad Wolf. Für dessen Filme „Ich war neunzehn“ (1968) und „Der nackte Mann auf dem Sportplatz“ (1974) arbeitete er als Dramaturg.
Anfang der 70er-Jahre setzten Christa und Gerhard Wolf noch einmal zu einem großen Projekt an. Sie formten aus der Volkslegende des Till Eulenspiegel ein üppiges Filmbuch, das 1972 auch gedruckt wurde. Hätte das Vorhaben in dieser Form realisiert werden können, so wäre daraus ein vierstündiger Monumentalfilm geworden. Das Studio traute sich dieses Experiment nicht zu, zumal mit solchen politischen Wackelkandidaten wie den Wolfs und dem als Regisseur vorgesehenen Rainer Simon. Die dann 1975 von Simon fertiggestellte Version dauert knapp zwei Stunden und gehört heute noch zu den besten, weil frechsten Defa-Filmen überhaupt.
Alle im Text erwähnten Spielfilme sind als DVDs im Handel erhältlich.