Zürich – Schweizer Wissenschaftler haben einen neuartigen Wundverband entwickelt, der blutstillend wirkt und nicht mit der Wunde verklebt. Beides könnte laut der Publikation in Nature Communications (2020; 10: 5562) das Infektionsrisiko senken.
Die konventionelle Methode der Blutstillung besteht darin, eine Baumwollgaze fest auf die Wundoberflächen zu pressen. Die Blutung wird durch ein Blutgerinnsel gestoppt, das fest mit dem Verband verbunden ist. Weil die Baumwollgaze auf der Wunde klebt, reißt die Wundoberfläche beim Verbandwechsel häufig wieder auf. Das ist nicht nur schmerzhaft, die erneuten Läsionen fördern auch das Eindringen von Krankheitskeimen in die Wunde. Eine Beschichtung der Gaze mit Substanzen wie Chitosan oder Kaolin, die die Blutgerinnung fördern, ist nicht unproblematisch, da die Substanzen in die Wunde eindringen und dort kleine Thrombosierungen verursachen können.
Eine Beschichtung aus Silikon und Kohlenstoff-Nanofasern, die ein Team um Dimos Poulikakos von der ETH Zürich und Choon Hwai Yap von der Nationalen Universität Singapur entwickelt haben, vermeidet diese Nachteile. Das Material ist zum einen extrem flüssigkeitsabweisend. Wie bei Teflon bleiben weder Wasser noch Blut auf der Oberfläche haften. Zugleich fördert es die Blutgerinnung. Beim Kontakt mit menschlichem Serum entstehen feine Fibrinfasern, die jedoch nicht in die glatte Oberfläche der Beschichtung eindringen. Sie bilden allerdings auf der Wundoberfläche das Gerüst für eine Blutgerinnung.
In Labortests konnten die Wissenschaftler zeigen, dass Blut im Kontakt mit der beschichteten Gaze innerhalb von nur wenigen Minuten gerinnt. Erste Experimente an Ratten ergaben, dass das Blut nicht in den Verband eindringt. Der mittlere Blutverlust betrug nur 0,3 mg gegenüber 19,8 mg bei einer konventionellen Baumwollgaze. Die Kraft, die aufgewendet werden musste, um den Verband wieder zu entfernen, war mit 7,2 Millinewton (mN) um den Faktor 43 niedriger als bei der Baumwollgaze, bei der 315 mN aufgewendet werden mussten, um den Verband zu entfernen.
Weitere Experimente zeigten, dass Bakterien nur schlecht an der Oberfläche anhaften. Der neue Wundverband könnte deshalb das Infektionsrisiko von Wunden senken. Die Forscher sehen ein breites Einsatzgebiet ihres Wundverbands. Er könnte in der Notfallmedizin und Chirurgie größere Blutverluste vermeiden helfen, aber auch als Heftpflaster in der Haus- und Reiseapotheke seinen Zweck erfüllen.
Die ETH Zürich und die Nationale Universität von Singapore haben das neue Material zum Patent angemeldet. Bevor es beim Menschen angewandt werden kann, müssen die Forscher das Material weiterentwickeln und optimieren. Nötig sind laut den Wissenschaftlern zudem weitere Versuche, zunächst an weiteren Tierarten, dann beim Menschen, um die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit zu beweisen. © rme/aerzteblatt.de
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